Reportagen USA
»Wenn Wale ihre Angst verlieren«

Whalewatching. Damit werben viele Ausflugsagenturen auf den Hawaiianischen Inseln. Und zur Versicherung, den Meeressäugern auf offener See aus nächster Nähe „ins Aug' zu schauen" gesellen sich noch Beruhigungsfloskeln. No fear, nothing can happen. Doch das stimmt so leider nicht (mehr). Zwar verbietet ein Gesetz den Booten eine Annäherung auf unter 100 Yards, doch wer kann das schon kontrollieren?! US-Forscher haben herausgefunden, daß sich Wale an die Begegnungen mit den Menschen immer mehr gewöhnen. Und das kann fatale Folgen haben.
Die zig-Tonnen-schweren Tiere sind zwar von Natur aus friedlich, doch sie scheinen die Treffen mit den schnatternden Touristen zu genießen, streifen mitunter die Boote, stoßen sie mit der Flosse an - und das führte bereits zu folgenschweren Zusammenstößen . So kam es in Hawaii Weihnachten 2003 zu schweren Unfällen beim allseits beliebten „Whale Watching". Dokumentationen über "kleinere Zwischenfälle" werden nur mündlich überliefert...
Die Wale sind keinesfalls aggressiv. Aber es gibt in den Gewässern um Hawaii viel mehr Buckelwale als in den Jahren zuvor. Das erhöht die Begegnungschancen und treibt damit immer mehr Boote hinaus aufs Wasser. Die Wale haben mittlerweile gelernt, daß der Mensch keine Gefahr mehr darstellt. Es ist offensichtlich, dass die Säuger auf die Veränderung dreagieren. Heute stehen nicht Waljäger in den Booten, sondern mit Fotoapparaten und Videokameras bestückte Touristen.
Die Walexpertin Christine Brammer vom Hawaiian Islands Humpback Whale National Marine Sanctuary erzählt über ihre Beobachtungen: „Es gibt eine jüngere Generation von Buckelwalen, welche die Interaktion mit den Menschen sichtlich liebt. Angst haben diese Tiere keine". Walforscher Greg Kaufman, Gründer und Präsident der Pacific Whale Foundation auf Maui berichtet, dass die Wale durch die fehlende Angst die Boote zum Teil ignorieren. „Es ist schon vorgekommen, dass Wale die Beboachtungs-Boote hochgehoben haben."
Scheinbar werden die Wale durch die bunt gekleideten, teilweise applaudierenden Touristen angezogen. „Man muß das auch umgekehrt betrachten: Ein Walbeobachtungsboot ist für einen Buckelwal wie ein Zoobesuch", vergleicht Kaufmann, der zu bedenken gibt, dass sich die Population der Buckelwale in den vergangenen 10 Jahren von 2.000 Tieren auf aktuell circa 5.000 erhöht hat. Der jährliche Zuwachs beträgt rund sieben Prozent.
Eine Begegnung mit einem noch so liebevollen Wal kann für Touristen schnell fatal enden. Bei einer Kollision mit dem Meeressäuger ist vor wenigen Jahren ein Kind in einem Whale-Watching-Boot zu Boden gefallen und an den Folgen des Sturzes gestorben. Wenige Tage später hat eine Kollision mit einem Wal fast ein weiteres Todesopfer gefordert. Die Forscher rechnen damit, dass die Unfälle zunehmen werden, weil das Naheverhältnis zwischen den Tieren und dem Menschen weiter abnimmt. Vor nur zwei, drei Jahrzehnten war die Distanz zwischen den Walen und dem Menschen wesentlich größer. Damals war es fast unmöglich, so nahe an die Tiere heranzukommen. Hawaiis Tourismus- und Umweltverantwortliche täten gut daran, Whale-Watching einer Beschränkung zu unterziehen. Zum Wohle der Tiere wie auch der Besucher...
HOLIDAY EXPRESS© TripTipps
Walbeobachtungen auf Hawaii sind in den Wintermonaten von Dezember bis Mai möglich. Das große Maui-Wal-Festival läuft von etwa Mitte Dezember bis Mitte Mai. Man sollte im Sinne eines ökologisch vertretbaren Tourismus Walbeobachtungen nur bei jenen Anbietern buchen, die auch zur Erhaltung der Spezies das ihre beitragen. Eine dieser Organisationen ist die Pacific Whale Foundation.
Autor: Renate Tremenjak, Fotos: Outdoorsman
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