Reportagen Laos
»Elefanten im Vorgarten«


Es sind die Morgenstunden, die Monica Domeij-Gaul am liebsten hat. Wenn die Besucher noch schlafen, die sich in ihrem kleinen Gästehaus in der Provinz Sayabury im Westen von Laos einquartiert haben, dann spaziert sie an Feldern und Häusern entlang. „Ich liebe diese Atmosphäre“, sagt Monica, „es ist wunderschön, alles liegt im Nebel – und ich finde es schön, die Menschen in den Dörfern wach werden zu sehen.“
Für die 60-jährige Österreicherin, die in Brasilien geboren ist und die lange Zeit in Deutschland gelebt hat, ist Hongsa vorerst ihr „kleines Paradies“. Ein Paradies, das für sie so verlockend war, dass sie sich auf ein neues berufliches Abenteuer eingelassen hat. Und das sie dazu gebracht hat, vor rund sechs Jahren aus Mitteleuropa nach Laos zu ziehen. Das südostasiatische Land, das an Thailand, Vietnam. Kambodscha, Myanmar und China grenzt, hatte die studierte Ethnologin kennen gelernt, als sie dort in Entwicklungshilfeprojekten mitgearbeitet hat.
Mittlerweile hat sie im Westen von Laos das Jumbo Guesthouse im Ort Hongsa eröffnet – ein familiäres Gästehaus mit nur fünf Zimmern. Dort verpflegt Monica ihre Gäste auf Wunsch ganz individuell. Entweder mit asiatischem Essen, oder – wenn diese bereits längere Zeit in Asien unterwegs gewesen sind – zur Abwechslung auch mit europäischer Küche, beispielsweise mit Käsefondue oder einem Linseneintopf mit Spätzle. Ihr Gästehaus, das auf Online-Portalen wie Tripadvisor sehr gelobt wird, ist weit entfernt von Massenabfertigung – stattdessen richtet sich Monica an den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Gäste aus. „Die Leute, die hierher kommen, in diese abgelegene Gegend, sind in der Regel keine Touristen, sondern Reisende, die sich wirklich für Land und Leute interessieren“, berichtet Monica.
Touristen statt Baumstämme
Die Provinz Sayabury, in der Hongsa liegt, gilt als das Stammland der laotischen Elefanten, einer Tierart, die mittlerweile bedroht ist. Lane Xang, das Land der Millionen Elefanten, so lautete der Name des südostasiatischen Landes früher. Mittlerweile, so schätzt man, leben nur noch rund 1.500 Elefanten in Laos. Zum Teil als Wildtiere, zum Teil in Elefantencamps, wobei die domestizierten Tiere überwiegend in der Holzwirtschaft eingesetzt werden. Dort ist Schwerstarbeit für sie angesagt. Es sei denn, Monicas Gäste nehmen pro Kopf sechzig Euro in die Hand, um den Elefanten einen freien Tag zu verschaffen. Was sie nicht ganz ohne Gegenleistung tun müssen. Denn statt schwere Baumstämme zu ziehen, trägt jeder Elefant dann einen Tag lang zwei Besucher auf seinem Rücken durch den Ort und einen nahe gelegenen Wald – und sogar durch kleine Bäche. Die Idee zu den Elefantentouren stammt von Monica, doch die Umsetzung war nicht einfach. Eine Zeit lang war der Elefantenausritt mit einem Besuch und einer Übernachtung in einem laotischen Dorf verbunden, was zu interessanten kulturellen Begegnungen führte. „Als ein 12jähriges Mädchen aus Belgien angefangen hat, mit der Flöte Händelsonaten zu spielen, waren die Einheimische richtig begeistert“, erinnert sich Monica. Doch das Dorf, mit dem sie kooperierte, musste inzwischen dem Kohletagebau weichen.
Deshalb brechen der 18 Jahre alte Elefantenbulle Thongkahm und die 31-jährige Elefantenkuh Bouvahn zusammen mit ihren Besitzern - Herrn Peng und Herrn Noysee - von Monicas Vorgarten aus nun meist nur noch zu Tagestouren auf. Auch wenn Monica bereits wieder eine neue Zweitagestour anbietet. Diese Elefantenritte sind keine touristischen Massenveranstaltungen. Die Pfade und Wege, die begangen werden, sind zuweilen abenteuerlich steil. Die beiden Elefantenführer begegnen ihren Gästen sehr freundlich. Sie haben einen schmackhaften Lunch im Gepäck, sprechen aber keineswegs perfekt Englisch. Auf ihre Elefanten sind sie natürlich stolz – einer von beiden berichtet, dass auch ein Zirkus aus China mittlerweile großes Interesse an seinem Tier hat.
Stammgäste als Gastgeber
Hongsa, der Ort an dem Monica lebt und fast jeden Morgen zum Markt geht, um frisches Gemüse, Tofu und zuweilen auch Fleisch für ihre Gäste einzukaufen, ist eine Siedlung, die sich noch schneller wandelt als Laos insgesamt. Der Charme des Landes, das so ganz anders tickt, welkt langsam dahin – auch wenn sich Monica immer noch darüber freut, dass es in Laos weder McDonald's noch Starbucks gibt. Dass die Menschen offen, neugierig und interessiert auf Besucher zugehen. Und zwar, weil sie diese gerne kennen lernen möchten und nicht, weil sie diese als wandelnde Geldbeutel ansehen!
Doch Hongsa heißt inzwischen auch „Goldrausch“. Viele Häuser im Ort sind an chinesische und thailändische Ingenieure vermietet, die in 15 Kilometer Entfernung ein gigantisches Kohlekraftwerk aufbauen. Ende 2016 soll es in Betrieb gehen. „Mein kleines Paradies“, so sagt Monica, „ist zu einem Paradies auf Abruf geworden, möglicherweise werde ich in zwei Jahren weiter ziehen müssen, vielleicht nach Nordlaos oder nach Burma.“ Aber wer weiß, vielleicht bleibt Monica ja auch länger. Denn ursprünglich wollte sie nur zwei Jahre in Hongsa verbringen – daraus sind inzwischen sechs Jahre geworden. „Die ersten zweieinhalb Jahre hatte ich hier nicht einmal einen Internet-Anschluss“, verrät die 60-jährige. Mittlerweile ist dies schwer vorstellbar, denn der Skype-Kontakt zu Freunden in aller Welt hat inzwischen einen festen Platz in ihrem Tagesablauf – ebenso, wie der Spaziergang durch den Morgennebel. Und Lust auf Neues hat Monica auch von Laos aus. Zwischen Mai und Juli jeden Jahres, wenn Nebensaison ist, bricht sie zu ein- bis zweimonatigen Reisen auf, besucht idyllische Inseln und erkundet für sie neue Teile der Welt. Ihre kleine Pension mit den fünf Gästezimmern muss sie in dieser Zeit nicht schließen! Zu einigen ihrer Stammgäste ist das Verhältnis inzwischen so eng geworden, dass diese gerne bereit sind, in dieser Zeit das Jumbo Guesthouse zu bewohnen und stellvertretend zu betreiben. „2012 war ein Perser zusammen mit seiner britischen Frau hier, im Jahr davor eine französisches Paar mit zwei Kindern, die auf Weltreise waren“, erzählt Monica.
Es gibt nur ein Original
Keine Frage, Monica Domeij-Gaul fühlt sich wohl in Asien. Auch wenn sie manch Feines aus ihrer früheren Heimat gelegentlich vermisst, es nur äußerst sporadisch erhält bzw. mitgebracht bekommt. Etwa Käse vom Biobauern aus Vorarlberg. Oder Lindenblütenhonig vom Wiener Naschmarkt. Den hatte sich Monica Domeij-Gaul im Paket nachschicken lassen. Doch als die Gläser ankamen, waren sie leider kaputt. Auf ein genussvolles und vielseitiges Frühstück muss sie dennoch nicht verzichten. Ihre Gäste erst recht nicht: Laos war von 1894 bis 1954 – mit Unterbrechung – eine französische Kolonie. Deshalb gibt es hier auch bei den Einheimischen zum Frühstück nicht nur traditionell Reis, sondern auch Baguette. Und wenn Käse und Honig zuweilen Mangelware sind, gleicht Monica Domeij-Gaul dies mit selbst gemachten Marmeladen aufs Vortrefflichste aus: Rosellamarmelade aus wildem Hibiskus, Passionsfrucht- und Maulbeermarmelade stellt sie ebenso auf den im Freien stehenden Frühstückstisch wie Mango- und Papaya-Ananas-Konfitüre. Monicas liebevoll-familiärer Service ist bei Gästen aus aller Welt überaus beliebt.
Das haben in Hongsa längst auch andere mitbekommen. Wie in Asien üblich, haben sich Nachahmer gefunden, die nun ebenfalls mit dem Namen „Jumbo Guesthouse“ für sich werben. Wer Monica in Hongsa besuchen will, sollte deshalb aufpassen, dass er beim richtigen Jumbo Guesthouse aussteigt. Wenn er neben Monica Domeij-Gaul auch Max, Tao und Lucky trifft, Monicas drei Hunde, dann ist der Besucher richtig – und kann sich von den Vierbeinern auch gleich bei einem Spaziergang durch den Ort begleiten lassen. Der Gast wird, wenn er den neugierig-offenen und freundlichen Einheimischen begegnet, vielleicht nachvollziehen können, warum sich Monica Domeij-Gaul so überhaupt nicht vorstellen kann, in nächster Zeit nach Österreich oder Deutschland zurückzukehren...
Wissenwertes
Die Demokratische Volksrepublik (Einparteiensystem) in Südostasien grenzt an Thailand, Myanmar (Burma), China, Vietnam und Kambodscha. Laos mit der Hauptstadt Vientiane zählt knapp sieben Millionen Einwohner und lässt sich topographisch in zwei Gebiete gliedern: Die gebirgige Region mit bis zu 2.800 m hohen Gipfeln in Nord-Süd-Richtung macht etwa neun Zehntel des Landes aus. Das kleine Tiefland an der Süd- und Südwestgrenze zu Thailand bildet den Rest. Der Mekong ist der bedeutendste Fluss und bildet auf einer Länge von etwa 1000 Kilometern die Grenze zu Thailand und Myanmar. Am Mekong liegen die Städte Vientiane und Luang Prabang.
In Laos herrscht tropisches Klima. Durch die großen Höhenunterschiede kann es regional zu starken Temperaturschwankungen kommen. Das Klima wird sehr stark vom Monsun geprägt. Zwischen November und Februar dominiert der Nordostmonsun, was trockenes und kühleres Klima auslöst. März und April herrscht feucht-heißes Klima. Zwischen Mai und Oktober dominiert der Südwestmonsun, verbunden mit starken Niederschlägen und hoher Luftfeuchtigkeit.
HOLIDAY EXPRESS© TripTips
Anreise nach Laos: Ab Österreich gibt es keine Direktflüge. Es empfiehlt sich die Flug-Anreise über Bangkok, Saigon oder Hanoi, dann Weiterflug nach Vientiane oder Luang Prabang.
Anreise nach Hongsa: Der Ort liegt nordwestlich von Luang Prabang, 26 km vom Mekong entfernt. Von Luang Prabang verkehren Slowboote nach Houai Xai bzw. Pakbeng, die in Tha Souang Halt machen (Fahrtdauer ca. sechs Stunden). Von Tha Souang per Taxi oder Sammeltaxi nach Hongsa (Fahrtdauer ein bis zwei Stunden). Alternativ kann auch mekongabwärts von Houay Xai aus (ebenfalls über Tha Souang) angereist werden – oder auf dem Landweg von Luang Prabang (Bus nach Sayabury, von dort 90 km per Pick-up) bzw. Thailand (ab Nan über den Grenzübergang Huai Kon/Mueang Ngeu, von dort noch 40 km bis Hongsa). Das Jumbo Guesthouse liegt etwa 300 Meter von der Busstation in Hongsa.
Einreise: An internationalen Grenzübergängen und an den Flughäfen werden für die einmalige Einreise und für einen Aufenthalt bis zu 30 Tagen sogenannte „Visa upon Arrival“ um 30 US $ ausgestellt. Neben dem Reisepass, der noch mindestens sechs Monate gültig sein muss, benötigt man zwei Passbilder. Alternativ kann das Visum vorab in Deutschland (www.laos-botschaft.de, betreut auch Österreich) oder in Thailand beantragt werden.
Geld: Die laotische Währung ist der KIP; in Hongsa gibt es mehrere Geldautomaten.
Übernachten in Hongsa: Jumbo Guesthouse, Monica Domeij-Gaul, Hongsa, Sayaboury Province, Lao P.D.R., Tel.: +856 (0) 20 56856 488, www.lotuselephant.com. Das Jumbo Guesthouse bietet fünf Zimmer mit Ventilator, Moskitonetz und warmer Dusche. Die Reservierung ist empfehlenswert.
Essen: Im Jumbo Guesthouse gibt es Frühstück (u.a. mit Erdnussbutter, selbstgemachter Marmelade und Joghurt), auf Wunsch auch mit Abendessen (Menü nach Absprache, asiatische und europäische Küche, vegetarische Option möglich). In der Nähe des Sportplatzes finden sich einige Restaurants mit laotischen und thailändischen Speisen.
Aktivitäten: Das Jumbo Guesthouse organisiert mehrstündige Elefantenritte sowie Tages- und Mehrtagestouren. Informationen unter www.lotuselephant.com
Auskünfte: Die Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Laos in Berlin betreut auch Österreich (Tel.: +49 30 89060647, www.laos-botschaft.de). Touristische Informationen bietet Indochina Services (Informationsbüro für Laos für den deutschsprachigen Raum) in München (Tel. +49 89 2190986-60, www.indochina-services.com).
WWW: Fernost-Reiseangebote finden Sie u.a. bei DERTOUR, FTI, Kneissl Touristik, Meier's Weltreisen
Autor: Rainer Heubeck, Fotos: Rainer Heubeck
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