Reportagen Russland
»Auf Wolga und Don«

Knapp drei Stunden braucht der nonstop-Kurs mit Austrian von Wien nach Astrachan. Dort wartet die 129 m lange MS Stravinski. Das 2011 aufwendig renovierte Kreuzfahrtschiff mit 4-Sterne-Komfort gilt in Russland als eines der Besten. Eine Woche lang ist sie das schwimmende Hotel, mit dem man die Weiten Russlands im wahrsten Wortsinn „erfährt“. Zur Geborgenheit tragen viel eine perfekte Organisation, die freundliche Crew und gutes Essen bei. Die vorbeiziehenden unendlichen Weiten der Steppe, das Naturschutzgebiet Wolgadelta, die interessanten Städte und Stätten machen diese Flusskreuzfahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis, noch dazu auf einer nicht alltäglichen Route!Es geht von Astrachan an der Wolga nach Rostov am Don (oder vv).
Astrachan und das Wolgadelta
Die „Hauptstadt der südrussischen Steppe“ Astrachan ist durch die Lage an den alten Handelsstraßen zwischen Asien und Europa ein Schmelztiegel der Nationen. Menschen aus rund 50 Nationen leben hier. Die im Zentrum gelegene Kreml-Fortifikation mit der prunkvollen Mariä-Entschlafens-Kathedrale und der 100 Jahre älteren Dreifaltigkeitskathedrale ist die Sehenswürdigkeit der Stadt und als Weltkultur-Erbe nominiert. Und der Ausflug in ein kasachisches Dorf-Museum gibt Einblick in die nomadischen Lebensweisen und Traditionen dieser einst „mongolischen Horden“.
Astrachan liegt an der Wolga, nahe am Kaspischen Meer, dem größten Binnensee der Welt und nur 70 km vom 180 km breiten Wolgadelta. Dieses seit 1919 unter Naturschutz stehende Refugium bietet eine einzigartige Konzentration an Vogel-, Fisch- und Pflanzenarten. Die Bootsfahrt in Europas größtes Flussdelta ist eine Ausflugsoption, die man nicht auslassen sollte!
Ein „Wassertag“
Ein ganzer Tag am Schiff flussaufwärts Richtung Wolgograd steht an. Am Sonnendeck genießt man die vorbeiziehende verträumte Landschaft und erahnt die unendlichen Weiten der kasachischen Steppe. Ein Abstecher in die gemütliche Panorama-Bar lohnt sich. Da wartet gutes russisches Bier oder die Spezialität - „Wodka-Feige“. Als Alternative gibt es interessante Vorträge über Land und Leute, Russischunterricht samt Abschluss-Zeugnis oder eine Verkostung von Wodkasorten, was den Gaumen ganz schön auf die Probe stellt...
Allabendlich wird für Unterhaltung gesorgt. Klassische Balalaika-Musik fehlt freilich nicht. Höhepunkt ist das Folklore-Konzert, wo Lebensweise, Traditionen und Gebräuche der unterschiedlichen Nationen in prächtigen Kostümen mit Tanz und Musik eindrucksvoll vorgestellt werden.
Für das leibliche Wohl sorgt die Bordküche bestens: Es beginnt beim reichlichen Frühstücksbuffet und setzt sich fort in schmackhaften Mahlzeiten - ein gelungener Mix aus russischer und österreichischer Küche.
Wolgograd (Stalingrad)
Kaum eine andere Stadt hat eine dermaßen tragische Vergangenheit – einmal mit dem Bürgerkrieg 1918 und dann 1942 mit dem zweiten Weltkrieg. Etwa 150.000 Soldaten der deutschen Wehrmacht kamen im Kessel von Stalingrad durch Kampf, Kälte oder Hunger um. Für so manchen Besucher ist das ein Reisegrund, in Erinnerung gefallener Verwandter die Stätten zu besuchen, etwa den Soldatenfriedhof „Rossoschka“, der mit 56.000 deutschen Toten die größte deutsche Gedenkstätte Russlands darstellt.
Vom Anlegeplatz führen die imposanten Wolgatreppen ins Stadtzentrum. Dort ist der Bunker zu besichtigen, in dem Generalfeldmarschall Paulus die Kapitulation unterzeichnete, was den psychologischen Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges für Deutschland darstellte und für die Mehrheit der Russen auch heute noch als nationale Heldentat gilt.
Wolgograd wurde 1942/43 bis auf ein Haus dem Erdboden gleich gemacht und komplett neu aufgebaut. 550.000 Russen mussten dort ihr Leben lassen. Diesen Kriegsopfern und russischen Helden wird mit zahlreichen Denkmälern gedacht. Das herausragendste ist die ,Mutter-Heimat’ Statue, die auf dem im Krieg heiß umkämpften Mamajew-Hügel errichtet wurde - mit 85 Metern ist sie die höchste freistehende Statue der Welt. Nicht versäumen sollte man dort die Wachablösung der Ehrenwache im „Saal des Soldatenruhmes“, wo das ewige Feuer lodert.
Wolga-Don-Passage
Die Fahrt durch den 101 km langen künstlichen Kanal, der seit 1952 die Verbindung zwischen „Väterchen Don“ und „Mutter Wolga“ schafft, ist ein phänomenales Erlebnis. Dass der Kapitän der „Igor Stravinski“ diese engen Passagen schafft, ist fast ein Wunder, bleiben doch zwischen Schiff und den Schleusenmauern oft nur wenige Zentimeter. Nur in einer von 18 Schleusen „touchierte“ das große Schiff sanft mit der Mauer. Beim Absenken des Flusskreuzers um acht Meter zwischen den Schleusentoren erscheinen die riesigen Triumphbögen im Zuckerbäckerstil der Stalin-Ära noch unwirklicher, mächtiger und monumentaler. Gebaut wurde der Kanal ausschließlich von Gefangenen - mit einfachsten technischen Mitteln. 15.000 fanden dabei den Tod!
Rostov am Don
Die Millionenstadt zählt heute dank ihrer günstigen Lage beim Asowschen Meer zu den zehn größten Städten Russlands und wird auch als „Tor zum Kaukasus“ oder „Stadt der Kaufleute“ bezeichnet. Vom Anlegeplatz führen Treppen in die alte Stadt zur beeindruckenden, von Architekt Konstantin Thon erbauten orthodoxen Auferstehungs-Kathedrale und zum riesigen zentralen Markt samt zahlreichen Flohmärkten ringsum. Hier finden sich alleegesäumte Gassen mit aus der Jahrhundertwende stammenden Häusern und Hinterhöfen, die an die „guten alten Zeiten“ erinnern. Statt renoviert zu werden stehen sie leider auf der Abrissliste, um pseudomodernen Neubauten zu weichen...
Im Zuge der Stadtrundfahrt durch die „Große Gartenstraße“ sind elegante Gebäude wie das „Haus der Stadtverwaltung“ zu bewundern, die Universität, die Philharmonie und riesige Parkanlagen. Am Ende liegt der große Theaterplatz mit dem Gorkij–Schauspielhaus, das in Form eines Traktors gebaut wurde und zu den bekanntesten Bühnen Russlands zählt.
In Rostov wird auch eine Show weiblicher Don-Kosaken angeboten. Und wer möchte, kann in die alte Kosakenhauptstadt Starotscherkassk fahren und bei einem Besuch des Kosakenmuseums mehr über die Geschichte und das Leben der „freien Steppenreiter“ erfahren. Gegen geringes Entgelt kann man sich dort zum urkundlich verbrieften Don-Kosaken ernennen lassen.
Tschechows Geburtsort
Für Tschechow-Fans ist die einstündige Busfahrt nach Taganrog an der Mündungsbucht des Dons ins Asowsche Meer ein Muss. Unter den dort zahlreichen aus dem 18. Jhdt. erhaltenen Gebäuden findet sich das Geburtshaus des vielleicht bedeutendsten russischen Schriftstellers, Anton Pawlowitsch Tschechow. Es ist auch das Haus mit dem Gemischtwarengeschäft, wo Tschechow als Kind seinem Vater helfen musste. Das Gymnasium, das der Dramatiker seinerzeit besuchte, wurde zum Tschechow-Museum umgewidmet.
Macht und Reichtum
Der Ausflug zur ehemaligen Türkenstadt Asow sollte von Kulturhungrigen unbedingt gebucht werden. Das dreistöckige Landeskundemuseum zeigt rare paläontologische Funde sowie Kleidungs- und Gebrauchsgegenstände. Die wahren Schätze werden im Sicherheitstrakt des dritten Stocks gezeigt: Goldschätze, die erst 1986 zufällig in der Gegend um Asow gefunden wurden. Dieser Goldschatz aus der Sarmatenzeit, die um das 1. Jhdt. nach Christus datiert, ist eine archäologische Sensation und zeigt einzigartigen Schmuck, Gerätschaften und als Weltunikat eine goldbeschlagene Pferdedecke.
Der Flusskreuzer MS Stravinski
Die MS Stravinski, 1985 gebaut und im Jahr 2010/11 komplett umgebaut und generalsaniert, fährt unter russischer Flagge und wird von der Reederei „Orthodox Cruise“ betrieben.
Ziffern/Zahlen: 129,2 m lang, 16,7 m breit, 2,9 m Tiefgang; fünf Decks; 32 Standard-Kabinen (ca. 8 qm), 30 Premium-Kabinen (ca. 9,5 qm), 36 Junior Suiten (ca. 16 qm) und zwei Senior Suiten (29,4 qm); alles Außenkabinen mit zu öffnenden Panoramafenstern (ausgenommen am Schiffsdeck), moderne Sanitäranlagen, individuell regulierbare Klimaanlage bzw. Heizung, Minikühlschrank (ausgenommen Standard-Kabine), TV, Safe, eingebauter Wandschrank.
Restaurant/Mahlzeiten: Gäste genießen in zwei Restaurants während einer Sitzung (Frühstück als Buffet, serviertes Mittag- und Abendessen mit mehrgängigen Menüs)
Kleidung: Tagsüber sportlich-leger, abends „kommod“, zum Kapitänsdinner Kostüm bzw. Anzug/Krawatte.
Betreuung: Während der Flussreise kümmern sich die Damen und Herren des deutschsprachigen Dolmetscher-Teams um das Wohlbefinden. Sie begleiten auch die Landausflüge.
Strom: Das Stromnetz ist für 220Volt/50Hertz Wechselstrom ausgelegt (kein Adapter notwendig).
HOLIDAY EXPRESS© TripTipps:
Einreise/Visum: Österreichische Staatsbürger benötigen vorab ein Visum (ca. € 85,-), dessen Erteiligung einige Zeit dauert! Der Pass muss bei Ausreise noch mindestens 6 Monate gültig sein.
Informationen: www.gta-sky-ways.at oder in gut sortierten Reisebüros.
Autor: Leo Uvizl, Fotos: Leo Uzvil, GTA SKY WAYS
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